Aufreger Arbeitszeit: Viele Betriebe lassen Beschäftigte länger arbeiten, als es das Gesetz erlaubt. Doch die zuständigen Aufsichtsbehörden kontrollieren zu selten, ob die Vorschriften eingehalten werden, kritisiert die Gewerkschaft NGG.

Foto: NGG | Alireza Khalili

Welttag für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz am 28. April
Milchwirtschaft: Beschäftigte bei Berufsunfähigkeit jetzt besser abgesichert
Zu wenige Kontrollen beim Arbeitsschutz: Von der richtigen Schutzkleidung in der Lebensmittelherstellung bis hin zur Arbeitszeiterfassung in der Gastronomie – die Aufsichtsbehörden sollen Unternehmen im Kreis Haßberge häufiger daraufhin prüfen, ob Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden. Das fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zum Welttag für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz an diesem Donnerstag [f. d. Red.: 28. April].

Allerdings fehle es den Ämtern häufig an Personal. Nach einem aktuellen Bericht der Bundesregierung waren in Bayern im Jahr 2020 insgesamt lediglich 159 Aufsichtsbeamtinnen und -beamte für Arbeitsschutz-Prüfungen zuständig. „Damit muss sich rein rechnerisch ein Kontrolleur landesweit um 2.342 Betriebe kümmern. Mit dieser Quote ist effektiver Arbeitsschutz kaum möglich“, kritisiert Ibo Ocak, Geschäftsführer der NGG-Region Unterfranken. Der kritische Kontrollblick auf die Gefahren am Arbeitsplatz dürfe nicht länger eine „Rarität der Arbeitswelt“ bleiben. Nach Angaben der Arbeitsagentur gibt es allein im Landkreis Haßberge aktuell 2.080 Betriebe (mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten).

Der Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies vor knapp zwei Jahren habe gezeigt, wie wichtig der Gesundheitsschutz der Beschäftigten sei. Die Politik habe zwar den Arbeitsschutz per Gesetz gestärkt, doch das Personaldefizit bei den lokalen Aufsichtsbehörden sei weiterhin enorm, so Gewerkschafter Ocak. „Die Ämter waren lange vor der Pandemie massiv unterbesetzt. Das rächt sich jetzt. Ob es um Verstöße gegen Corona-Maßnahmen oder um fehlenden Unfallschutz geht – am Ende steht die Gesundheit der Beschäftigten auf dem Spiel.“

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Dabei könne auch auf betrieblicher Ebene viel für einen besseren Gesundheitsschutz getan werden. Die NGG verweist auf die finanzielle Absicherung von Beschäftigten, die es nicht bis zum gesetzlichen Rentenalter schaffen. „In der bayerischen Milchwirtschaft gilt ab April eine tarifliche Berufsunfähigkeitsversicherung – ein Meilenstein für die Branche. Dadurch bekommen Mitarbeitende einen günstigen Zugang in das System ohne die oft komplizierte Gesundheitsprüfung. In der Basis-Versicherung ist eine Extra-Rente von bis zu 500 Euro pro Monat möglich“, erklärt Ocak. Der Gewerkschafter spricht von einer „enormen Verbesserung“ für die Beschäftigten. Denn wer allein auf die gesetzliche Erwerbsminderungsrente angewiesen sei, komme maximal auf 36 Prozent des letzten Bruttoeinkommens. Im Jahr 2019 waren das im Durchschnitt lediglich 827 Euro pro Monat – „zu wenig, um davon gut leben zu können“, so Ocak.

Eine weitere Stellschraube für einen besseren Arbeits- und Gesundheitsschutz sei die Mitbestimmung. „Betriebsräte kümmern sich täglich darum, das Risiko für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu minimieren. Mit Konzepten gegen Corona, die zum Unternehmen passen, leisten sie zugleich einen großen Beitrag gegen Infektionen am Arbeitsplatz“, sagt Ocak. Ob in der Ernährungsindustrie, im Bäckerhandwerk oder im Gastgewerbe – bei den laufenden Betriebsratswahlen mitzumachen, sei auch mit Blick auf die eigene Gesundheit ratsam, so die NGG.

Quelle: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Unterfranken