Foto: Archiv Krankenhaus St. Josef Chefärztin Dr. Susanne Röder im Gespräch mit einer Patientin
Schweinfurt, 14.01.2022
Vor 20 Jahren – am 15. Januar 2002 – konnte die Palliativstation am Krankenhaus St. Josef ihren Betrieb und die erste Patientin aufnehmen. Genauso lange ist Dr. Susanne Röder als erste Chefärztin des Krankenhaus St Josef für die Abteilung zuständig. Mit ihr haben wir über die Entstehung und das Besondere dieser jungen Station gesprochen.
Warum wurde die Palliativstation eingerichtet?
Dr. Susanne Röder: Die damalige Krankenhausdirektion hat die Zeichen der Zeit erkannt und die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung gesehen. Zudem ist die Begleitung und Betreuung von Schwerkranken Teil des Sendungsauftrages der Erlöserschwestern und somit ein Herzensanliegen unseres Trägers – die Kongregation der Schwestern des Erlösers.
Wer waren die Initiatoren?
Dr. Susanne Röder: Die Einrichtung haben wir maßgeblich dem damaligen Krankenhausdirektor Bruno Stumpf und der damalige Ordensleitung zu verdanken. Bereits im Jahr 1998, als ich mein Vorstellungsgespräch als Fachärztin für Anästhesie hatte, war eine Einrichtung für schwer kranke und sterbende Menschen ein Thema. Da ich schon erste Erfahrungen in diesem Bereich in Berlin gesammelt hatte, wurde ich drei Jahre später gefragt, ob ich mir die Implementierung einer Palliativstation vorstellen könne. Ich habe mich der Herausforderung gestellt, bin an ihr gewachsen und habe es bis heute nicht bereut.
Die Palliativstation befindet sich nicht im Krankenhaus, sondern zwei Straßen weiter in der ehemaligen Knüpfferklinik. Warum wurde sie dort eingerichtet?
Dr. Susanne Röder: Dr. Knüpffer hatte sich im Jahr 2001 entschieden, seine gynäkologische Privatklinik an einen Krankenhausträger zu veräußern. Das Krankenhaus St. Josef zeigte damals Interesse und hat es bewusst für die Einrichtung der Palliativstation gekauft.
Wie hat sich die Station entwickelt?
Dr. Susanne Röder: In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Palliativmedizin fachlich in der Region etabliert. Bereits zwei Jahre nach Eröffnung unserer Station konnte dank des Fördervereins ein Brückenteam installiert werden. 2017 wurde die SAPV (Spezialisierte ambulante Palliativversorgung) „Palliativo“ in Kooperation mit dem Leopoldina-Krankenhaus gegründet. Seit Januar 2022 gibt es den palliativmedizinischen Dienst (PMD) für alle Patienten im Krankenhaus St Josef. Nun fehlt für die ganzheitliche Begleitung noch ein Hospiz in der Region. In unserem Palliativnetzwerk arbeiten wir mit Hochdruck daran.
Wie hat sich das Leistungsspektrum Ihrer Abteilung in den zwei Jahrzehnten verändert?
Dr. Susanne Röder: Anfangs kamen überwiegend Tumorpatienten zur Schmerzeinstellung auf unsere Palliativstation, blieben 14 Tage und konnten dann gut symptomgelindert wieder nach Hause entlassen werden. Doch im Lauf der Zeit kamen auch Patienten mit anderen weit fortgeschrittenen Erkrankungen zur Beschwerdelinderung – immer mit dem Ziel der Entlassung nach Hause, in ein Pflegeheim oder in ein Hospiz. Manche kamen einmal, manche mehrfach und manche verstarben dann auch auf der Station. Unser Anliegen ist immer: Lebenshilfe statt Sterbehilfe. In einem eigenen Leitbild hat das Team der Palliativstation seine Haltung zu Papier gebracht.
Warum haben Sie ein Leitbild entwickelt?
Dr. Susanne Röder: Es war uns als Palliativteam ein Anliegen, unsere Haltung und unsere Arbeitsweise in Worte zu fassen.
Was leistet die Palliativstation heute?
Dr. Susanne Röder: Wir begleiten und behandeln Patienten mit einer fortschreitenden Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung. Dabei beziehen wir auch die Angehörigen mit ein. Wir beraten vor, während und nach einem stationären Aufenthalt und vermitteln häusliche SAPV-Betreuung. Daneben beraten wir palliativmedizinisch und begleiten im Krankenhaus St Josef auf allen Stationen.
Wie sieht ihre Arbeit konkret aus?
Dr. Susanne Röder: Unsere Arbeit – Palliative Care genannt – ist keine Intensivmedizin im Sinne einer Intensivstation mit Beatmungssituationen. Gleichwohl leisten wir eine intensive medizinische Versorgung und Pflege, nicht nur was Gespräche und Begleitung betrifft: In der großen Mehrheit handelt es sich um schwerkranke und entsprechend pflegebedürftige Patienten, deren Versorgung durch die oft hohe Symptomlast individuell anzupassen ist. Oftmals täglich, manchmal stündlich müssen wir uns auf neue Situationen einstellen, weil etwa krankheitsbedingt eine weitere tägliche Lebensaktivität nicht mehr alleine bewältigt werden kann. Palliative Care ist nicht Kaffee trinken und „Händchen halten“, es ist anspruchsvolle, anstrengende, aber natürlich auch erfüllende professionelle Arbeit und Dienst am Nächsten.
Wie viele Mitarbeiter sind heute auf der Palliativstation tätig?
Dr. Susanne Röder: Insgesamt kümmern sich 25 Mitarbeiter aus allen Bereichen um unsere Patient/ innen und deren Angehörige. Das sind Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten, Hauswirtschafterinnen und ehrenamtliche Hospizhelfer.
An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem gesamten Palliativteam von Herzen für seine Arbeit und sein Engagement bedanken.
Wie viele Patienten haben Sie seit der Eröffnung betreut?
Dr. Susanne Röder: Wir haben in den vergangenen 20 Jahren rund 5.300 Patienten auf der Palliativstation behandelt.
Welche Höhepunkte prägten diese 20 Jahre?
Dr. Susanne Röder: Da gibt es viele. Wichtige Höhepunkte waren gleich zu Beginn die Teamfindung, die Konzepterarbeitung, die Hospitationen auf Palliativstationen in ganz Deutschland und das Einrichten der Station im Vorfeld. Dann natürlich die Eröffnung der Station mit der ersten Patientin und ihrer Entlassung nach erfolgreicher Schmerz- und Symptomkontrolle einige Tage später.
UND: Wir erleben täglich kleine Höhepunkte: Wenn eine Schmerz- und Symptomeinstellung gelingt, wenn ein Verband an einer belastenden Wunde hält, nicht nässt und die Wunde nicht (mehr) riecht, wenn ein/e Patient/in sich nach der pflegerischen Versorgung wieder wohlfühlt, wenn ein Gespräch berührt, wenn Sorgen von Patienten und Angehörigen ausgesprochen werden, wenn ein Herzenswunsch erfüllt werden kann, wenn ganzheitliche Begleitung gelingt. Eine Begegnung von Mensch zu Mensch.
Gab es auch Feste?
Dr. Susanne Röder: Unsere runden Einrichtungsgeburtstage haben wir immer groß gefeiert und so zu Höhepunkten werden lassen. Es fanden jedes Mal nicht nur ein Gottesdienst und ein Fest statt, sondern wir erlebten Vorträge fachlicher, spiritueller und ganzheitlicher Natur. Zum einjährigen Bestehen etwa gab es eine Podiumsdiskussion verschiedener Fachärzte, zum fünften Geburtstag hielt Dr. Thomas Binsack, der damalige Chefarzt der Palliativstation der Barmherzigen Brüder München, einen Vortrag. Für das zehnjährige Jubiläum konnten wir Pater Dr. Anselm Grün gewinnen. Das 15-Jährige feierten wir im Kloster Heidenfeld und der Chefarzt der Palliativstation am Klinikum Würzburg Mitte, Dr. Rainer Schäfer, hielt einen Vortrag.
Wird denn auch das 20-jährige Jubiläum gefeiert?
Dr. Susanne Röder: Wir hoffen darauf, unseren 20. Geburtstag im Juli feiern zu können. Den Ort, die Musik und den Festredner werde ich aber noch nicht verraten.
Sie erwähnten bereits, dass es einen Förderverein gibt. Was tut dieser?
Dr. Susanne Röder: Der Förderverein wurde kurz vor Eröffnung der Palliativstation vor 20 Jahren gegründet und unterstützt unsere Arbeit nicht nur ideell, sondern auch finanziell. Der Verein sammelt Spenden, die es uns ermöglichen, besondere Angebote für Patienten zu schaffen und ihre Herzenswünsche zu erfüllen. Mit den Spenden, unter anderem von dankbaren Patienten und Angehörigen, sowie mit den Erlösen von Benefizveranstaltungen konnten wir einiges ermöglichen und installieren. So gibt es beispielsweise seit einem Jahr ein Aquarium im Wohnzimmer der Station. Oder unser neu gestalteter Palligarten – er ist eine kleine Oase für alle. Außerdem gibt es jede Woche eine frische Rose für die Patienten. Ursula Pöpperl leitet den Förderverein seit 20 Jahren als Vorsitzende mit Herzblut. Herzlichen Dank dafür!
Quelle: Krankenhaus St. Josef