Erinnerung an das soziale Gewissen
Geht nicht, das kannte er nicht. Herbert Müller fand immer eine Lösung. Als Jugendreferent stand er nicht nur für eine moderne Jugendarbeit, sondern er war ein echter Anwalt der jungen Menschen, hatte immer ein offenes Ohr. Dass galt unter anderem auch beim so oft provokanten Laden am Obertor, der „Schreinerei“. Das „Kult“ war Anlaufpunkt für die „etwas andere“ Jugend, für Freaks, Punks, ein wenig Verrückte, es war der Geburtsort für das Festival „Umsonst & Draußen“ und die „Schweinfurter Bluestage“.
Dass es nach dem Abriss der Gebäude am Obertor heute im Stattbahnhof sein zu Hause gefunden hat, boxte damals im Stadtrat vor allem Herbert Müller durch.
Herbert Müller ist heute vor 20 Jahren am 11. Dezember 2001 im Alter von 72 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Daran erinnerten Marietta Eder, SPD-Parteivorsitzende in Schweinfurt und Ralf Hofmann, SPD-Fraktionschef im Stadtrat. Marietta Eder durfte Müller zwar nie kennenlernen, kenne aber zahlreiche Geschichten über ihn, die bis heute erzählt würden. Das zeige, so Eder, wie sehr Herbert Müller im Gedächtnis der Schweinfurterinnen und Schweinfurter nach wie vor verankert ist. Ralf Hofmann, der damals in der Schreinerei aktiv war, kannte Herbert Müller sehr wohl. „Er nahm uns ernst, setzte sich für uns bedingungslos ein, auf sein Wort konnten wir uns verlassen.“ Das habe Hofmann sehr beeindruckt. Letztendlich war er der Anlass, sich später kommunalpolitisch zu engagieren.
Herbert Müller zählte zu den populärsten Politikern unserer Stadt. Über zwei Jahrzehnte war er ihr Bürgermeister, der sich Zeit seines Lebens vor allem um die Jugend und den Sport, seine beiden Herzensanliegen, kümmerte. Mit 26 Jahren war der am 28. Oktober 1929 in Schweinfurt geborene Müller für die Sozialdemokraten in den Stadtrat gewählt worden, deren Zielen und Idealen sich der gelernte Kaufmann seit jeher verbunden fühlte. Als sein politischer Ziehvater galt der langjährige OB Schorsch Wichtermann. Müller fungierte von 1974 bis 1996 als hauptamtlicher Bürgermeister, verantwortlich für die Referate Jugend, Sport und Soziales. In allen Politikfeldern hinterließ er nachhaltig seine Spuren, 18 Jahre unter der Ägide seines Parteifreundes OB Kurt Petzold und bis zu seinem Ruhestand vier Jahre unter der CSU-OB Gudrun Grieser.
Müller hat eine ganze Epoche der Stadtentwicklung mitgeprägt, schuf mit seiner vorausschauenden Grundstückspolitik die Grundlage für die Weiterentwicklung des Industrie- und Wirtschaftsstandortes Schweinfurt. Wohnungen, Horte, Kindergärten, die Förderung des Sports und die – vor allem offene – Jugendarbeit, aber auch die Umsetzung sozialer Anliegen auch der älteren Generation, den Betrieben helfen und Arbeitsplätze sichern, das waren Müllers Themen. Das „Herbertle“, wie man ihn nannte, war das soziale Gewissen der Stadt, dem die Sorgen der kleinen Leute ein Anliegen waren, der zuhören konnte, immer auf Augenhöhe, und der sich vor allem auch gekümmert hat.
Es erstaunt deshalb auch nicht, dass Herbert Müller bei Wahlen Stimmenkrösus für seine Genossen war. Er war SPD-Vorsitzender, er führte die SPD-Fraktion. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bürgermeister-Amt machte er weiter, blieb als Bezirksrat und Mitglied der Stadtratsfraktion für seine Genossen aktiv. Darüber hinaus hat er sich in der Arbeiterwohlfahrt als Vorsitzender und in mehreren Vereinen engagiert, zuvorderst seien die von ihm einige Zeit geführten Freien Turner aus seinem Stadtteil, der Gartenstadt, genannt.
Seit 2008 trägt eine Straße seinen Namen, erinnert somit an seine Verdienste. Sie liegt im Baugebiet Eselshöhe West II, also in Sichtweite zur Gartenstadt. Schon ein Jahr zuvor riefen die Schweinfurter Sozialdemokraten in steter Erinnerung an ihren langjährigen und so populären Bürgermeister die Herbert Müller-Medaille ins Leben, die seitdem für besondere Verdienste um die Sozialdemokratie verliehen wird. Dass Müllers Witwe Brigitte die erste Empfängerin einer Sonderprägung sein sollte, war eine großartige wie passende Geste.

Quelle: Agentur L19 

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