Nach Continental nun auch Schaeffler: Der nächste große Zulieferer kündigt in der Auto- und Coronakrise den Abbau vieler Stellen an – vorrangig in Deutschland.
Herzogenaurach (dpa) – Der Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler will bis Ende 2022 wegen der Krise in der Automobilindustrie 4400 weitere Stellen in Deutschland und Europa abbauen. Betroffen seien im wesentlichen zwölf Standorte in Deutschland – darunter der Stammsitz im fränkischen Herzogenaurach – und zwei weitere im europäischen Ausland, teilte Schaeffler am Mittwoch in Herzogenaurach mit.
Clausthal-Zellerfeld werde geschlossen, es sei denn, es ergebe sich kurzfristig eine Verkaufsmöglichkeit. Für den Standort Wuppertal werde eine Komplettschließung ebenfalls nicht mehr ausgeschlossen. Die IG Metall in Nordrhein-Westfalen reagierte umgehend und bezeichnete eine Standortschließung als inakzeptabel. Es müsse Perspektiven für die Menschen geben.
Für das Werk in Luckenwalde (Brandenburg) könne auch ein Verkauf in Betracht kommen, sagte Vorstandschef Klaus Rosenfeld der Deutschen Presse-Agentur.
Darüber hinaus soll es Personalreduzierungen an allen inländischen Standorten geben, besonders betroffen seien Bühl (Baden-Württemberg), Homburg (Saarland), Höchstadt, Schweinfurt (beide Bayern) und Langen (Hessen).
Die Produktion vom Standort Eltmann (Landkreis Haßberge/Bayern) werde nach Schweinfurt verlagert.
Die Aftermarket-Beschäftigten in Hamburg und Köln sollen möglichst vom Home-Office aus arbeiten.
Der Standort Bühl solle zum neuen Zentrum für E-Mobilität in der Schaeffler-Gruppe ausgebaut werden. Am Firmensitz in Herzogenaurach werden künftig die Wasserstoff-Aktivitäten von Schaeffler gebündelt. Dort soll zudem ein Zentrallabor entstehen.
«Wir haben uns vorgenommen, was wir auf der einen Seite freisetzen, dann auch wieder zu investieren», sagte Rosenfeld. «Unser Maßnahmenpaket hat eine offensive und eine defensive Komponente.»
Schaeffler erhofft sich durch das Maßnahmenpaket ein Einsparpotenzial in Höhe von 250 bis 300 Millionen Euro jährlich, das 2023 zu 90 Prozent realisiert sein soll. Dem stehen Transformationsaufwendungen in Höhe von 700 Millionen Euro gegenüber. «Wir stehen in einem Strukturwandel, den wir aktiv angehen müssen», sagte Rosenfeld.
Schaeffler, einer der größten deutschen Zulieferer vor allem für die angeschlagene Automobilbranche, hatte bereits in den vergangenen Jahren seine Kapazitäten heruntergefahren. Vor einem Jahr hatte das Unternehmen ein Freiwilligenprogramm aufgelegt, das derzeit noch umgesetzt wird und mit dem nahezu 2000 Stellen abgebaut werden sollten. Seit Ende 2018 hat sich die Zahl der Beschäftigten in der Schaeffler-Gruppe insgesamt um rund 8250 auf 84 223 verringert.
«Trotz einer Belebung der Nachfrage in allen drei Sparten und vier Regionen in den letzten Monaten bleibt die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie und die daraus resultierende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hoch», heißt es in der Mitteilung.
Die Nachricht aus Herzogenaurach kommt nur einen Tag nach einem «Autogipfel» in Berlin, bei dem Bundesregierung und Industrie Maßnahmen zur Stärkung der angeschlagenen Automobilindustrie und ihrer Zulieferer in Deutschland beraten hatten. Die Situation der Zulieferer gilt als besonders prekär. Zuletzt hatte Continental größere Personalreduzierungen angekündigt.
Die Stammaktien des im S-Dax notierten Zulieferers sind allesamt in den Händen von Mitgliedern der Familie Schaeffler. Das Unternehmen mit 150 Standorten in aller Welt hatte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 14,4 Milliarden Euro erzielt und zählt damit mit Continental, Bosch und ZF zu den größten der Branche in Deutschland.
Erst vor wenigen Wochen hatte Schaeffler angekündigt, sich über eine Kapitalerhöhung frisches Geld besorgen zu wollen. Eine außerordentliche Hauptversammlung soll am 15. September über die Ausgabe von bis zu 200 Millionen neuen Aktien entscheiden. Rosenfeld hatte angekündigt, das Geld solle für Investitionen in Zukunftsfelder wie Windkraft, Wasserstofftechnik und E-Mobilität verwendet werden.
Quelle: dpa