Nach und nach kamen aus allen Ecken Unterfrankens neue Infos über Einsatzlagen in der Führungsstelle im BRK-Kreisverband Haßberge an und wurden zunächst in Übersichtslisten notiert. Fotos: Michael Will / BRK
HASSFURT – Ein Unglück kommt selten alleine, besagt ein Sprichwort. In Unterfranken mussten am vergangenen Samstag (9. September) gleich mehrereGroßschadenslagen mit einer Vielzahl von Verletzten und Betroffenen in verschiedenen Landkreisen bewältigt werden. Ausschlaggebend für die Ereignisse war eine flächendeckende Unwetterkatastrophe, die über den Regierungsbezirk hereingebrochen war. So sah es das Szenario vor, das einer Katastrophenschutzübung mit dem Namen „KontUR2023“ zugrunde lag, an der über 500 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer des Bayerischen Roten Kreuzes, anderer Hilfsorganisationen sowie der Feuerwehr und mehr als 120 Einsatzfahrzeugen teilgenommen haben.
Zur Bewältigung solcher Katastrophen reichen die jeweils im eigenen Zuständigkeitsbereich verfügbaren Mittel niemals aus. Deshalb ist Unterstützung notwendig, die dann im Rahmen sogenannter Hilfeleistungskontingente überörtlich und auf Anforderung zum Einsatz kommt. Dabei eilen aus benachbarten und nicht von der Katastrophe betroffenen Regierungsbezirken oder gar landesweit eine Vielzahl von Einsatzkräften herbei, um in Schadensgebieten zu unterstützen.
In Unterfranken haben die Hilfeleistungskontingente Standard, Transport, Betreuungnun im Rahmen der Kontingentübung ihre Einsatzbereitschaft und ihr Können getestet. Dabei ging es vor allem um das Zusammenspiel der Einsatzkräfte unterschiedlicher (Hilfs-)Organisationen vor Ort bei einzelnen Großschadenslagen als auch um die landkreisübergreifende Zusammenarbeit, was beispielsweise logistische Belange, das Zusammenführen von Informationen und eine überörtliche Lagedarstellung betrifft. Zuletzt waren die unterfränkischen Hilfeleistungskontingente bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 im Einsatz.
Hilfeleistungskontingente sind im Auftrag des Staates gebildete Einsatzstrukturen, die im Rahmen der überörtlichen Hilfeleistung eingesetzt werden. Vergleichbare Strukturen werden auch im Bereich Brandschutz bzw. Wasserrettung vorgehalten.
Für die drei Kontingente ist der BRK-Bezirksverband Unterfranken seitens der Regierung von Unterfranken mit der Koordination beauftragt. „Das Besondere an der Übung war es, dass es sich nicht um eine große Übung handelt, sondern um mehrere regionale Übungen auf Kreisverbandsebene bzw. in der Zusammenarbeit von Kreisverbänden“, berichtete BRK-Bezirksgeschäftsführer Harald Erhard.
Darstellbar wurde die Übung durch die Annahme, dass die Kontingente in eine von einer Großschadenslage (flächendeckende Unwetterlage mit Zusammenbruch von Teilen der kritischen Infrastruktur und Ausfall der Stromversorgung) betroffenen Region verlegt werden und dort in Teileinheiten regional bei der Bewältigung der Katastrophe mitwirken und sich dabei den jeweiligen Einsatzleitungen vor Ort unterstellen. Im Vorfeld des Übungstages wurden intern bereits entsprechende Alarmstufen ausgerufen und Lageeinweisungen der Führungskräfte durchgeführt. An der Übung beteiligt waren alle neun unterfränkischen BRK-Kreisverbände: Aschaffenburg, Bad Kissingen, Haßberge, Kitzingen, Main-Spessart, Miltenberg-Obernburg, Rhön-Grabfeld, Schweinfurt und Würzburg.
Die verschiedenen Teilübungen sahen mehrere Szenarien vor. Infolge eines Zugunglücks mussten die Insassen eines ICE von Einsatzkräften aus Schweinfurt und Main–Spessart medizinisch versorgt und betreut werden. Die Helferinnen und Helfer der BRK-Kreisverbände Miltenberg-Obernburg und Aschaffenburg mussten infolge des Stromausfalls heimbeatmete Patienten evakuieren und diese an zu errichtenden stromversorgten Sanitätsplätzen weiter betreuen. Weitere, vom Stromausfall betroffene Anwohnerinnen und Anwohner wurden in einer Betreuungsstelle verpflegt und mit Wärme und Strom versorgt.
Durch das Unwetter war es in einem Waldstück der Rhön zum Absturz eines Hubschraubers gekommen. Umherfliegende und herabfallende Teile verletzten dabei unbeteiligte Dritte. Hier wurden die Einsatzbedingungen vor allem durch unwegsames Gelände und eine schwierige Infrastruktur erschwert. In Kitzingen krachte aufgrund schlechter Witterungsbedingungen bei einer Bergabfahrt ein vollbesetzter Bus in ein Wohnhaus, wobei es 23 zum Teil Schwerverletzte gab und einige Businsassen im Schockzustand von der Unfallstelle wegliefen und anschließend von einer Rettungshundestaffel gesucht wurden. In Würzburg wurde ein sogenannter Kraftfahrzeugmarsch durchgeführt, denn auch das Fahren in einem geschlossenen Verband muss geübt sein.
Beim BRK-Kreisverband Haßberge wurde in Haßfurt eine sogenannte Führungsstelle eingerichtet. Hier liefen im neuen Einsatzleitwagen der Schnelleinsatzgruppe (SEG) „Information und Kommunikation“ (IuK) alle Informationen aus dem gesamten Regierungsbezirk zusammen. Erprobt wurde dabei das Führen von Lagekarten mit einer Übersicht über die einzelnen Örtlichkeiten, über die Gesamtzahl der Verletzten und deren Sichtungskategorien, über die Anzahl an betroffenen Bürgern in den einzelnen Schadensgebieten sowie über die Gesamtzahl aller Helfer und die eingesetzten Fahrzeuge.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Führungsstelle war die gebündelte Informationsweitergabe an übergeordnete Stellen sowie das Erproben verschiedenerKommunikationswege. Vom Einsatzleitwagen aus hielten die Mitarbeiter der SEG IuKKontakt zu den jeweils in den einzelnen Landkreisen vor Ort gebildeten Einsatzleitungen und führten alle wesentlichen Informationen zusammen. Dabei kamen neben dem inzwischen flächendeckend eingeführten Digitalfunk weitere moderne Hilfsmittel zum Einsatz, beispielsweise die internetbasierte Kommunikation per Web-Kameras über Microsoft-Teams sowie die Kommunikation über das Satellitensystem Starlink. Starlink steht für schnelles Breitband-Internet via Satellit.Die Starlink-Satelliten kreisen nicht wie sonst üblich in einer Entfernung von bis zu 72.000 Kilometern um die Erde, sondern in nur etwa 500 Kilometer Entfernung. Das soll einerseits die Leistung des Internets extrem beschleunigen, andererseits soll durch diese Satelliten nahezu an jedem Punkt der Erde eine Internetverbindung nutzbar sein.
Während Christian Krämer aus dem BRK-Kreisverband Haßberge im Auftrag der Regierung als Kontingentführer tätig war, leitete BRK-Kreisbereitschaftsleiter Stefan Funck als Abschnittsleiter die Führungsstelle, bei der weitere fünf Kolleginnen und Kollegen mitarbeiteten. Die Gesamtleitung der Kontingentübung im Regierungsbezirk lag in den Händen von BRK-Bezirksgeschäftsführer Harald Erhard und stellvertretendem BRK-Landesarzt Dr. Max Kippnich (beide Würzburg). Sie waren am Vormittag zu einem Kurzbesuch nach Haßfurt gekommen, um die Übung offiziell zu eröffnen.
Um die Arbeit im Rahmen der Katastrophenschutz-Übung vorzustellen, hatte das Rote Kreuz Gäste von Behörden und anderen Organisationen eingeladen. Sie wurden am Mittag im Beisein der stellvertretenden BRK-Kreisgeschäftsführerin Carina Küfner von den beiden Katastrophenschutz-Beauftragten des BRK-Kreisverabandes Haßberge, Wolfgang Zweverink und seinem Stellvertreter Jürgen Geisel, begrüßt. Zweverink sowie Kontingentführer Christian Krämer gaben den Ehrengästen einen Überblick über Sinn und Zweck der Übung, deren Verlauf sowie Herausforderungen im Rahmen der Kommunikation und Informationsgewinnung bei einem flächendeckenden Stromausfall. Unter den Gästen waren Vertreter des Landratsamtes, der Feuerwehr, von Polizei, THW und der Bundeswehr. Sie alle arbeiten in einem Katastrophenfall auf lokaler und regionaler Ebene eng zusammen.
Die Übung nutzte der BRK-Kreisverband auch dazu, zu überprüfen, wie im Ernstfall bei einem längeren Stromausfall mithilfe der eigenen Schnelleinsatzgruppe „Technik und Sicherheit“ (SEG TuS), die bei der BRK-Bereitschaft Memmelsdorf angesiedelt ist, am Hauptsitz in Haßfurt eine externe Stromerzeugung möglich ist. Die SEG TuSverfügt über mobile und hochleistungsfähige Aggregate zur Stromerzeugung. Über einen speziellen Hausanschluss könnten bei einem länger andauernden Stromausfall Gebäude des Kreisverbandes versorgt und somit für Hilfsbedürftige notwendige Dienstleistungsangebote wie „Essen auf Rädern“ etc. sichergestellt werden.
Quelle: BRK KV Haßberge