13. Juli 2023, Nürnberg u.a: Durch sein heutiges Urteil zu Gunsten des Handelskonzerns Edeka greift das Arbeitsgericht Nürnberg massiv in das Streikrecht der Beschäftigten ein und provoziert eine völlig widersprüchliche und absurde Situation.
Vorausgegangen war der Versuch der EDEKA Unternehmensgruppe Nordbayern-Sachsen-Thüringen, mit mehreren Anträgen vor unterschiedlichen Arbeitsgerichten die derzeit stattfindenden Streiks im Rahmen der Tarifverhandlungen des Bayerischen Groß- und Außenhandels zu stoppen.
Aus dem Sammelsurium von Gründen, welche die EDEKA als Begründung für die Streikwidrigkeit angeführt hatte, griff sich das Arbeitsgericht Nürnberg die Forderung von ver.di, nach einer gemeinsamen Beantragung der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages heraus. In anderen Worten: ver.di fordert, für den neuen Entgelttarifvertrag – in einer gemeinsamen Initiative mit dem Arbeitgeberverband bei der bayerischen Arbeitsministerin die Allgemeinverbindlichkeit zu beantragen. Damit würde der Tarifvertrag für alle Beschäftigten im bayerischen Groß- und Außenhandel gelten.
Ziel einer solchen Allgemeinverbindlicherklärung ist, dass sich kein Arbeitgeber in der Branche mehr mit Dumpinglöhnen Wettbewerbsvorteile verschaffen darf.
Absurd ist die Situation, weil sich bereits drei Gerichte mit dieser Frage beschäftigt haben und, im Einklang mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, einen Streikabbruch abgelehnt haben. Denn bei der Gerichtsentscheidung handelt es sich um ein Urteil im sogenannten einstweiligen Verfügungsverfahren, das nur bei gesicherter und offensichtlicher Rechtslage ein Urteil zu Gunsten des Klägers, hier von EDEKA, sprechen kann.
Davon konnte hier eindeutig keine Rede sein, weil zur grundsätzlichen Klärung dieser Rechtsfrage derzeit keine deutsche Grundsatzrechtsprechung existiert. Deshalb entschieden die Arbeitsgerichte in Köln, Stuttgart und Schweinfurt – in derselben Sache – zu Gunsten von ver.di und zu Gunsten des Streikrechts der Beschäftigten. Im Ergebnis nimmt dieses Urteil zumindest kurzfristig den Druck vom größten Handelskonzern ¬und damit den Druck zur Lösung des laufenden Tarifkonflikts im Handel. Eine längst überfällige Einigung wird dadurch massiv erschwert.
„Die Absicht von EDEKA ist leicht durchschaubar, sie wollen Druck aus den Verhandlungen nehmen und mit aller Gewalt einen Billigabschluss im Großhandel durchsetzen. Dem nachzugeben würde bedeuten, den Beschäftigten weiter Reallohnverlust zuzumuten, obwohl diese jetzt schon Schwierigkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und massiv von Altersarmut bedroht sind,“ erklärte Luise Klemens, ver.di Landesleiterin in Bayern.
„Absurd und zynisch ist es für die Beschäftigten, dass nun erstmals in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte, ein deutsches Gericht die gewerkschaftliche Forderung nach Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages als offensichtlich unzulässig und nicht streikfähig erklärt“, empört sich Hubert Thiermeyer, ver.di Landesfachbereichsleiter im Handel Bayern
Ver.di hat angekündigt, unverzüglich Berufung gegen dieses fragwürdige Urteil einzulegen.
Quelle: ver.di
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