„Ein Dorfladen in und für Oberndorf … fußläufig oder mit dem Fahrrad bequem erreichbar … ohne immer gleich auf das Auto zugreifen zu müssen!“ … so sehenKathrin May und ihre Mitstreiter:innen im Umfeld der Schweinfurter Agenda-Arbeitsgruppe “Nachhaltigkeit in der regionalen Wirtschaft“ die Zukunft in Oberndorf; und sie entfalten hierzu gemeinsam ein vielfältiges Mosaik an Ideen und Vorschlägen. Kathrin May ist selbst Bäuerin vor Ort und betreibt „mit viel Herzblut“ zusammen mit ihrem Mann Sven einen Hofladen sowie den Milchviehbetrieb und Erlebnishof May. Hinsichtlich des möglicherweise drohend bevorstehenden Neubaus eines gigantischen Einkaufszentrums am westlichen Ortsrand des Dorfes meint sie: „Als Milchbäuerin blutet mir das Herz, wenn dieses große Areal von über zweieinhalb Hektar aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausfallen würde.”
Angesichts der Schließung des LIDL-Marktes vor neun Jahren ist seitdem in dem Schweinfurter Stadtteil mit seinen etwa 2500 Einwohnern deren Versorgung mit Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in kurzer Entfernung von der Wohnung ziemlich problematisch geworden. Insofern wird Kathrin May seit geraumer Zeit von der Überlegung bewegt: „Kann in unserem Ort ein Dorfladen erfolgreich betrieben werden?“
Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, hatte sie für den vergangenen Freitag eine öffentliche Informations- und Diskussionsveranstaltung organisiert und in den Pfarrsaal der Gemeinde St. Josef eingeladen.
Stadträtin Dr. Ulrike Schneider begrüßte im Auftrag der Initiativgruppe das Publikum im vollbesetzten Pfarrsaal, darunter auch den Landtagsabgeordneten Paul Knoblach, Bürgermeister Werner aus der Nachbargemeinde Bergrheinfeld, den evangelischen Pfarrer vor Ort, Bernhard Vocke sowie den Referenten Wolfgang Gröll. Dieser ist Vorsitzender des Bundesverbands der Bürger- und Dorfläden und begleitet seit mehr als 30 Jahren erfolgreich über 1000 Gründungen von gut funktionierenden Dorf- und Bürgerläden in ganz Bayern – bekannt auch durch Fernsehreportagen – u.a. in SAT1 und im Bayerischen Fernsehen “Quer“, “Unter unserem Himmel“ und “MehrWert“.
Bereits bei ihren einleitenden Worten hatte Schneider den Bogen von einer wünschenswerten, bürgerfreundlichen Nahversorgung hin zum von externen Investoren geplanten Einkaufszentrum am westlichen Ortsrand von Oberndorf gespannt. Eine hiermit zwangsläufig verbundene weitere Oberflächen-Versiegelung von 2,7 Hektar kostbaren Kultur-Ackerlands sei besonders dramatisch im Hinblick auf den galoppierenden Klimawandel: „Allein in Bayern beträgt der Flächenfraß mehr als 11 Hektar, das sind 15 Fußballfelder täglich – ein Missmanagement der Politik, die eine solche Entwicklung fördert statt stoppt !“
Der Sprecher der Schweinfurter Agenda-Arbeitsgruppe “Nachhaltigkeit in der regionalen Wirtschaft“ Roland Merz kam ebenfalls auf den globalen Klimanotstand zu sprechen: „Alle internationalen Klima- und Ökologie-Konferenzen von Paris über Sharm El-Sheikh bis Montreal betonen ausdrücklich immer auch die Verantwortung und die Zuständigkeit der Kommunen für das Klima und die Umwelt: Und das gilt also insofern auch für unsere Stadt Schweinfurt! Wir reden hier – rechts des Mains rings um Oberdorf – über die wertvollsten Ackerböden, die Schweinfurt hat!“ Dies haben ihm der Bauernverband und auch das Amt für Landwirtschaft versichert.
Und auch der Einzelhandelsverband Unterfranken lehnt in einem Gutachten vom Herbst 2022 das fragliche Großeinkaufs-Zentrum ab, da er es für völlig überdimensioniert erachtet und dieses eben nicht die gewünschte Nahversorgung bringen würde: Mit dem neuen Einkaufszentrum sei das Warenangebot doppelt bis dreifach so groß wie der Bedarf aus Oberndorf selbst. Somit wäre es nachteilig für die bereits bestehenden Einkaufsmöglichkeiten am Bergl und in Bergrheinfeld, und führte über kurz oder lang zu Leerständen.
Als mögliche Alternativen bieten sich zur Verfügung stehende Immobilien für den Dorfladen an – „am liebsten ein Bürgerhaus mit Dorfladen“ – wie es Roland Merz nennt:
– Die Nahversorgung im Dorfladen ist auf Bedürfnisse der Oberndorfer abgestimmt: besonders mit regionalen Produkten (Backwaren vom Bäcker Götz, Gemüse von der ‘Solawi‘, Fleischerzeugnisse vom Rhönmetzger, Nudeln und Eier vom Oberndorfer Bauernhof.
– Die zentral in Oberndorf gelegenen Räume der ehemaligen ”Norma-Filiale“ könnten mit insgesamt 500 m² Nutzfläche die Ansprüche bestens erfüllen; für den späteren Betrieb und die Geschäftsführung gibt es bereits erste Interessenten.
– Durch eine weitere Sanierung der ehemaligen Gaststätte ”Schwarzer Adler“ zu einem Bürgerhaus als sozialem Treffpunkt könnte der Dorfladen zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls im Ort beitragen. Auf der Freifläche hinter dem Gebäude (ebenfalls ca. 500 m²) könnten in der warmen Jahreszeit Bänke und Tische zwanglos zu Plausch und Kaffee einladen; mobile Versorgung mit Bäcker, einem Metzger und zunehmend gefragten veganen Alternativen usw. könnte eingerichtet werden.
– Die Gestaltung des Gebäude-Inneren erfolgt nach den Wünschen und Bedürfnissen seiner Nutzer: ein kleines Bürgercafé mit Lese-Ecke und Kinderbücherei, Ausstellungen, Lesungen, Kleidertauschbörse, Spielzeug-, Weihnachts- und Ostermärkte usw. – vielleicht sogar auch eine ‘Tourist-Info‘ als Tor zur Stadt SW?
– Schließlich könnte auch der ÖPNV angepasst werden: Fahrgäste könnten mit einer leichten Linienveränderung umsteigefrei am Bergl einkaufen; alternativ oder zusätzlich könnte man die Fahrten von Oberndorf nach Bergrheinfeld in Tarifzone I umwandeln, um im nur 800 Meter entfernten Lidl auf Bergrheinfeld Gemarkung einzukaufen.
Fachberater Wolfgang Gröll stellte seine Darlegung zum Themenkreis “Dorfladen“ in den Rahmen der folgenden Fragestellungen:
• Welche Erfolgsfaktoren garantieren das Überleben eines Bürgerladens?
• Wer kommt als Lieferant für unseren Bürgerladen möglicherweise in Frage?
• Welche Betreibermodelle haben in der Praxis eine Chance?
• Kann ein Bürgerladen preislich mit den Discountern mithalten – und wenn “Ja“ – wie?
Seine langjährigen Erfahrungen aus ungezählten Vorträgen und Beratungen hat er in dem „Leitfaden mit Tipps für Gründung und Betrieb von Dorfläden“ festgehalten: als kostenloser PDF-Download im Internet erhältlich unter
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/17_0007272_Anlage.pdf
Welchen Stellenwert haben nun all die Argumente bezogen auf einen Dorfladen vor Ort in Oberndorf? Es kommt jetzt darauf an, in beratenden Arbeitsgruppen die Schaffung des Dorfladens vorzubereiten und hierbei „das Ziel fortwährend umsichtig im Auge zu behalten und an vieles, möglichst an alles zu denken!“ Regelmäßige Treffen und Informations-Veranstaltungen seien wichtig`, so Gröll, der den Prozess aus der Ferne begleiten will.
Für Moderatorin Ulrike Schneider ein durchaus vielversprechendes Szenario, in das sich die Stadt Schweinfurt mit ihrer Wirtschaftsförderung unterstützend einbringen sollte. Dem überdimensionierten Einkaufszentrum vor den Toren des Stadtteils erteilte sie allerdings – völlig unabhängig von einem Dorfladen – eine klare Absage. „Wir werden für diese 3 ha Ackerland kämpfen und alles daran setzen, dass das überdimensionierte Einkaufszentrum nicht kommt! Es handelt sich um einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb – auf Kosten der Natur!“, so ihre abschließenden Worte.
Quelle: Initiative ZUKUNFT.