Den Festvortrag hielt Professor Dr. med Giovanni Maio. Er lobte diejenigen, die die Palliativstation am Krankenhaus St. Josef vor 20 Jahren auf den Weg gebracht haben. „Das war visionär.“ Fotos: Von Kathrin Kupka-Hahn
Bereits zu Jahresbeginn ist die Palliativstation am Krankenhaus St. Josef Schweinfurt 20 Jahre alt geworden. Gefeiert wurde der runde Geburtstag pandemiebedingt erst jetzt im Sommer. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand der Festvortrag des Freiburger Ethik-Professors Dr. med. Giovanni Maio, der erklärte, warum das aktuelle Menschenbild selbst die Medizin in die Irre führt.
Schweinfurt. Feste soll man feiern wie sie fallen. Doch wenn eine Pandemie grassiert, dann müssen Feste gefeiert werden, wenn die Einschränkungen fallen und die Hygieneregeln es zulassen. So geschehen am Freitag der vergangenen Woche. Rund 80 Gäste haben in der Schweinfurter Seniorenresidenz „Augustinum“ den 20. Geburtstag der Palliativstation am Krankenhaus St. Josef gefeiert – mit allem, was dazugehört: Jubiläumsgottesdienst, Festakt, Geschenken und toller Musik.
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand der Festvortrag von Professor Dr. med Giovanni Maio. Er ist der Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Mitglied des Ausschusses für ethische und juristische Grundsatzfragen der Bundesärztekammer. Entsprechend setzte er sich in seinem Festvortrag mit der ethischen Bedeutung der Palliativmedizin für unsere Gesellschaft auseinander.
Verletzlichkeit des Menschen
Gleich zu Beginn stellte er die provokante These in den Raum: „Die Medizin hat die Aufgabeübernommen, Kunden zu bedienen und nicht zu umsorgen.“ Begriffe wie „Leistungserbringung“ und „der Patient als Kunde“ hätten sich schleichend etabliert. Als Ursache dafür nannte der Ethik-Professor das vorherrschende Menschenbild: Es zeige den Menschen als souveränen Herrscher über sich selbst, als autonomes Wesen, als unverwundbar.
„Doch die Pandemie und der innereuropäische Krieg haben uns aufgezeigt, wie verletzlich der Mensch ist“, sagte er und nannte fünf Gründe, die für diese Verletzlichkeit stehen: das leibliche Wesen, das auf andere angewiesen Sein, die Fragilität des Könnens, die Grundkontingenz des Lebens und die radikale Endlichkeit. „Man darf diese Verletzlichkeit nicht ignorieren“, forderte Professor Maio zum Umdenken auf.
Leben neu bewerten
Die „Sorge“ sei nach seinem Dafürhalten die einzige Antwort auf diese Verletzlichkeit. „Weil es nicht egal ist, was dem Anderen geschieht.“ Maio nannte sieben Punkte, die nicht nur einen Ausdruck von Beistand widerspiegeln, sondern in Summe eine Sorgekultur darstellen, wie sie beispielsweise in der Palliativmedizin gelebt werde. Diese Sorgekultur helfe dabei, das Leben neu zu bewerten. Sie gebe den Menschen das Gefühl, in Momenten der Not nicht alleine zu sein. „Somit ist die Palliativmedizin ein Trost für unsere Gesellschaft. Sie steht für die Humanisierung der Medizin.“ Zum Abschluss seines Vortrages lobte er diejenigen, die die Palliativstation am Krankenhaus St. Josef vor 20 Jahren auf den Weg gebracht haben. „Das war visionär.“
Biografisches Grußwort des OB
Und wie es sich für ein Jubiläumsfest gehört, gab es einige Grußworte. Der Oberbürgermeister der Stadt Schweinfurt, Sebastian Remelé, hielt ein sehr persönliches, biografisches Grußwort und hob darin die Bedeutung der Palliativstation hervor: „Die Einrichtung ist aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. Danke für Ihren Dienst an unseren Bürgern!“
Danke, das sagte auch Ursula Pöpperl, die Vorsitzende des Fördervereins der Palliativstation, in ihrem Grußwort. „Danke an alle, die mitgeholfen haben durch ihren Einsatz. Allen, die auf der Station und für die Station arbeiten. Der Anfang war nicht leicht … und auch heute in diesen Zeiten des Umbruchs gibt es etliche Klippen“, sagte sie. Der Förderverein hat in den vergangenen 20 Jahren mehr als zwei Millionen Euro an Spendengeldern für die Palliativstation gesammelt. „Das Geld ist sinnvoll angelegt und wir wollen und werden auch weiterhin unterstützen“, betonte die Vorsitzende.
Das Geburtstagsfest nahm sie zum Anlass, um den Mitarbeitenden der Palliativstation etwas Gutes zu tun: „Wir sponsern euch eine Inhouse-Schulung.“ Zudem überreichte sie ein Bild, welches künftig im Mitarbeiterraum hängen wird. „Wenn Ihr mal im Stress seid, werft einen Blick darauf“, sagte Ursula Pöpperl bei der Übergabe an den pflegerischen Stationsleiter Ralf Holzinger.
Gingko als Leitmotiv
Nicht ohne Grund: Schließlich ist auf dem Bild ein Ginkgo zu sehen. Dieser war auch das Leitmotiv für diesen runden Geburtstag der Palliativstation. „Er ist ein Lebens- und Seelenbaum und steht für Stärke, Hoffnung und Liebe über den Tod hinaus“, erklärte Chefärztin Dr. Susanne Röder und fügte hinzu: „Sein Blatt ist durch die Zweiteilung Symbol für Sanftheit (Yin) und für Lebenskraft (Yang).“
Als ein Symbol für die Synthese zwischen Himmel und Erde bezeichnete Schwester MonikaEdinger den Ginkgo und gab in ihrem Grußwort einen Rückblick auf die Entstehung und Entwicklung der Palliativstation. Sie ist die Generaloberin der Kongregation der Schwestern des Erlösers, der Träger des Krankenhauses. Als Geschenk überreichte sie einen Ginkgo-Baum, der seinen Platz im Patientengarten der Palliativstation finden wird.
Ökumenischer Jubiläumsgottesdienst
Neben den Ehrengästen kamen bei den Feierlichkeiten zum 20jährigen Bestehen auch die Patienten der Palliativstation zu Wort. Im Jubiläumsgottesdienst, den Pfarrer Paul Weißmantel und Pfarrerin Susanne Rosa am Nachmittag vor dem Festakt gemeinsam in der Krankenhauskapelle zelebrierten, wurden Briefe von Patienten und ihren Angehörigen verlesen: „Ein Danke reicht nicht aus … Ihr habt mir den Weg bereitet … Es ist ein Segen, dass es Euch gibt.“
Zum Abschluss des Festes sandte die Chefärztin der Palliativstation, Dr. Susanne Röder, noch einen Dank nach ganz oben. „Sein Segen möge uns alle auch weiterhin begleiten“, sagte sie und lud die Gäste zum gemütlichen Beisammensein ein.
(Anmerkung: Alle Gäste mussten einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorlegen, der von einer offiziellen Teststation vorgenommen worden war)
Quelle: Krankenhaus St. Josef